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Letzte Worte über Eine Million Minuten

Letzte Worte über Eine Million Minuten

Wenn deutsche Filmförderungs-Dauernutznießer versuchen, Probleme "normaler" Menschen abzubilden und sich dazu auch noch aktueller Thematiken wie Home-Office und Klimawandel widmen, entsteht dabei ein Werk zwischen entlarvendem Realitätsverlust, peinlicher Naivität und letztendlich auch wieder ein Rückfall in die üblichen Beziehungsdrama-Muster der ganzen deutschen Retortenkinoproduktionen, die wir hier aus gutem Grund seit einer Weile bei Die Letzte Filmkritik und den Letzten Worten bewusst ignoriert haben. Aber wir wollen den Dingen ja immer wieder mal eine neue Chance geben. Zum eigenen Leidwesen habe ich das jetzt mit Eine Million Minuten im Kino getan.

Lasst euch diesen Artikel von Daniel im Podcast “Die Letzte Filmkritik” hier komplett vorlesen.

Originalbild: Eine Million Minuten / © Warner Bros. (2024)

Daniel setzt sich im Verlauf dieses Artikels mit grundlegenden Handlungspunkten auseinander, allerdings auch vom späteren Filmverlauf und dem Ende. Mit ausführlichen Szenenbeschreibungen und Details, gerade aus den späteren Kapiteln , hält er sich dabei aber zurück.

Eine Million Minuten zeigt eigentlich 125 Minuten lang Karoline Herfurth und Tom Schilling in einem Film vom Ehemann von Karoline Herfurth, der sonst die Filme von Karoline Herfurth mitproduziert, nun aber auch mal selber Regie führen wollte. Verschiedene deutsche Medien- und Filmförderungsanstalten haben Warner Bros. Germany und Debütregisseur Cristopher Doll natürlich sofort gesagt: "Na klar, man kennt sich doch und auch noch 'ne Buchvorlage nach wahren Begebenheiten. TOLL!" Vermute ich.

Eine junge Familie mit zwei Kindern droht an Alltagsstress der Mutter und Abwesenheit des erfolgreich berufstätigen Vaters zu zerbrechen. Die ärztlich attestierten Entwicklungsdefizite von Tochter Nina bringen das Fass noch zum Überlaufen. Das sind ganz normale Umstände, ganz normaler deutscher Bürger. Was ist im Film aber natürlich überhaupt kein Faktor in Bezug auf all das? Geld und genereller Wohlstand! Als wir Vera Küper (die gewohnt verheult und verknustert dreinblickende Karoline Herfurth) ganz zu Beginn bei einer Kindertherapeutin sehen, wird ihr zur Entwicklungsförderung der Tochter ein Sandkasten nahegelegt. Mit trauriger, gebrochener Stimme flüstert Vera daraufhin (sinngemäß): "Wir haben leider nur eine Wohnung." Augenblickliche Stille. Die Therapeutin wirkt schlagartig betroffen, wendet ihren Blick beinahe fassungslos ab.

Und dann sehen wir diese Wohnung und es ist ein unverschämt großes, liebevoll teuer eingerichtetes Loft mit nicht enden wollenden Zimmern, riesiger Küche, und und und... da hätte ein handelsüblicher Indoor-Sandkasten aber mal locker auch noch reingepasst. Das nur mal so. Ich dachte ja aufgrund der oben beschriebenen Szene eher, Familie Küper könne sich kein Haus leisten, würde zu viert mit maximal drei Zimmern auf 50 m² ohne Balkon in prekärsten Verhältnissen leben. Das hatte ich doch so in Karoline Herfurths Mitleidsgesicht ganz genau abgelesen. Und jetzt höre ich mir in wärmster Luxuskulisse zwischen exotischen Topfpflanzen und Designermöbeln an, wie sie mit Ehemann Wolf darüber diskutiert, wie schlimm und ausweglos verfahren ihr grausames Leben sei. Eine Nanny wolle sie nicht und so weiter.

Eine Million Minuten möchte uns - grob gesagt - bis zum Schluss des Films vor Augen führen, dass das Hauptproblem der meisten Menschen und der Auslöser für all die Unzufriedenheit und Traurigkeit im Leben, gerade von Eltern, der Stress an sich ist. Und der Alltag. Aber ganz besonders der Stress. Und dass man sich persönlich nicht verwirklichen kann. Wegen eben diesem ganzen Stress. Der einfach irgendwie da ist.

Nicht Geldsorgen, nicht vergebliche Jobsuche, nicht drohende Obdachlosigkeit aufgrund von Wohnungsmangels in deutschen Großstädten, nicht alleinerziehend und zusätzlich berufstätig und arm zu sein, nicht die unzähligen anderen echten Probleme realer Menschen, die nicht ultrareich sind und die letztlich erst zum Stress führen. Nein, Leute, euer, unser einziges wahres Problem ist der Stress an sich! Und Prioritäten setzen! Einfach mal nicht gestresst sein. Das ist eure eigene Schuld, dass ihr das nicht einfach mal macht. Einfach mal alles liegen lasst. Oder 'ne Weltreise mit zwei kleinen Kindern. Das habt ihr nur noch nicht begriffen. Am Ende ist alles Mindset.

Und auch ein wenig, dass man sich das mit der Ehe und der Familie ja ganz anders versprochen und vorgestellt hatte, als man noch jung und dumm war. Von wegen der Mann geht arbeiten und die Frau macht alles andere, obwohl sie ja auch mal eine Karriere hatte. Klar, so wie es hier im Film gezeigt wird, ist das wirklich suboptimal und da gibt's einiges an Feintuning, an Paartherapie und Selbstreflexion für Vera und Wolf aufzuarbeiten und anzupacken. Dit is jetzt aber weder sehr erkenntnisreich für uns Zuschauer, noch heutzutage in der Konstellation eine nicht schon tausendmal facettenreicher erzählte Grundthematik, mit der wir uns nun noch einmal filmisch neu, auf den allerkleinsten Nenner herunter gebrochen, auseinandersetzen müssten, damit wir das für uns selbst auch endlich mal verstehen lernten. Also all das, was wir allgemein inzwischen längst wissen und was heutzutage gar nicht mehr so ein etabliertes Modell gerade junger Familien darstellt.

Bild: Eine Million Minuten © Warner Bros. (2024)

Was passiert überhaupt in den 125 Minuten von Eine Million Minuten? Nach Grundsatzstreit der Eheleute über ihre jeweilige Lebenssituation sagt Tochter Nina zu Vater Wolf, sie fände es toll, wenn die Familie mal "eine Million Minuten nur für all die schönen Dinge" gemeinsam hätte. Quasi am nächsten Tag schmiedet und berechnet der Papa daraufhin den Plan, eine Million Minuten, beinahe zwei Jahre, mit Frau und Kindern halb spontan um die Welt zu reisen und seine Arbeit von unterwegs zu absolvieren. Seine Vorgesetzte hört das nicht so gerne, hat sie ihn doch als ihren designierten Nachfolger auserkoren, stimmt letztendlich jedoch zu. Wohl auch in der Hoffnung, dass er glücklich zurückkommt und danach ohne Extrawünsche für immer bleibt.

Obwohl Wolf übrigens als Biodiversitätsforscher und Gutachter für die UN arbeitet, spielen Gedanken über Nachhaltigkeit in seinem Leben oder auch während seiner Reise keine übergeordnete Rolle. Noch besser: Wann immer wir ihn mit Arbeitskollegen über diese Thematiken reden hören oder bei Vorträgen und Verhandlungen im Job sehen, sind das Gespräche auf einfachstem Grundschulniveau. Sinngemäß hören wir nie etwas anderes als "Die Zukunft des Planeten ist in Gefahr, Sie müssen jetzt handeln", "Es kommt nicht nur auf das Handeln des Einzelnen an, die großen Firmen müssen in die Verantwortung genommen werden" oder "Ich brauche diese Daten. Du musst mir bis morgen 'DIESE DATEN' besorgen." - Alles nicht falsch, aber stets so unspezifisch, unexpertenartig und schwammig oberflächlich, dass Wolf wie ein Scharlatan rüber kommt, der sich überhaupt nicht tiefergehend mit Umweltschutz, Klimawandel oder Nachhaltigkeit auskennt.

Genau so schnell merken wir, dass sein enthusiastisch ausgetüftelter Plan, vom weltweiten Reisen aus zu arbeiten, so durchdacht überhaupt nicht war. Ohne Plan B für zu erwartende technische Probleme in der Tasche, wirkt er nach kürzester Zeit und obwohl im Großen und Ganzen eigentlich das meiste gut zu funktionieren scheint, nur noch frustriert über sein paradiesisches Arbeitsleben. "What about the Wi-Fi", fragt er panisch an der Strandbar, als seine internationale Videokonferenz mit mehreren Leuten aus aller Welt draußen im Sand vor Meereskulisse doch nicht so rund lief, wie er das aus irgendwelchen Gründen erwartet hatte. Seine Reaktion danach? Ganz aufhören.

Soll das jetzt heißen, macht man den Arbeitnehmern ZU viele Zugeständnisse, gibt ihnen zu viel Freiheit und Eigenverantwortung, verlieren sie die Lust am Arbeiten? Begreift Wolf während des Reisens, dass ihm die Zeit mit der Familie zu wichtig ist, als dass er einen verhältnismäßig kleinen Teil des Tages noch bereit wäre, auch irgendetwas anderes zu machen? Sich zusätzlichen Herausforderungen zu stellen, die ein Mindestmaß an Frustresistenz erfordern?

Für mich ist das einzige Fazit aus Wolfs erstem großen Sinneswandel während der Handlung, mit dem ich hier auch nicht zu viel verrate, dass er seinen abenteuerlichen Lebensentwurf mindestens fahrlässig, eher sogar total unfähig angegangen ist, obwohl der ursprünglich vorgesehene Spagat gut umsetzbar gewesen wäre. Und dann schon früh einfach keinen Bock mehr hatte, nach Lösungen für alle kleinen, durchaus lösbaren Probleme zu suchen. Was meine vorherige Vermutung sogleich bestätigt, dass das ganze Thema Umwelt für ihn doch nur ein Job ohne ideelle Motivation war. So 'ne Lust und Laune Sache halt, die viel Geld einbringt und die dazu beim ewig unzufriedenen Opa gut ankommt, weil man da schön Karriere machen kann.

Bild: Eine Million Minuten © Warner Bros. (2024)

Im späteren Handlungsverlauf findet noch eine komplette Umkehr der Rollenverteilung zwischen Wolf und Vera statt, aber unter ganz anderen Bedingungen. Da (vermutlich) bei Rotwein und Trüffelpralinen während der Drehbuchkonzeption niemand eine Klischeeschablone für den Mann als Mami auf Reisen parat hatte, ist man noch härter daran gescheitert als schon vorher bei der Mutter, sich dafür nun wirklich etwas ganz eigenes, aber dennoch bodenständig glaubhaftes neu ausdenken zu müssen.

Heraus kam eine märchenhafte Lebenssituation in idyllischer Naturkulisse, fast frei von Zwängen und Hürden, mit Zeit ohne Ende, in welcher Protagonist Wolf einzig daran zu zerbrechen droht, dass seine Frau sich ihm gegenüber völlig unnötig und vorsätzlich ignorant und egoistisch verhält, er selber aber auch auf bizarre Weise lachhaft bescheuerte Eifersüchteleien entwickelt, die das Drehbuch des Films ab der Hälfte unbeabsichtigt in eine Schenkelklopferkomödie verwandeln, bei dem verzweifelten Versuch, das Papaleben für Wolf irgendwie mit dem Holzhammer unnötig unerträglich wirken zu lassen, damit die angepeilte Metapher funktioniert und der Plotbeginn ansatzweise sein Ende spiegelt.

Wolf hatte die Probleme seiner Frau zu Filmbeginn nicht im Blick, nicht verstanden, sie nicht genug für ihre Leistung im Alltag gewürdigt, selber aber auch mit seinem zeitlich anspruchsvollen Job, der viel Verantwortung mit sich brachte, mehr zu tun als ihm selber lieb war. Wir haben Veras Frust verstanden, aber auch Wolfs Seite der Medaille nachvollziehen können und hatten gar nicht den Eindruck, Wolf sei wesentlich im Vorteil. Beide hatten zu wenig von ihren Kindern. Zu wenig schönes. Beide hatten Stress, Druck, viel zu viel davon. Mit dem einzigen feinen Unterschied, dass Wolf mehr generelle Anerkennung für seinen Job erhielt und seine eigene Stellung in der bzw. seine Leistung für die Familie deswegen auch als am wichtigsten interpretiert hat. Was Vera gegenüber überhaupt nicht fair war, daran besteht kein Zweifel.

Umgekehrt liegt unsere Empathie zum Filmende viel mehr einseitig nur bei Wolf, da Vera es sich ziemlich bewusst sehr einfach macht, es sich bei jeder Gelegenheit gut gehen lässt, eher komfortabler Arbeit in heiterer Gesellschaft nachgeht, auch mal tagsüber einen Trinken geht anstatt zu arbeiten, Mann und Kinder regelrecht zu vergessen scheint, obwohl alle Rahmenbedingungen für sie und die ganze Familie nun viel unkomplizierter, entschleunigter sind als eben daheim in Berlin-Mitte. Hätte die kleine Nina zum Schluss ihrer Mutter auch noch mal so etwas zu sagen wie "Ich wünsche mir wieder eine Million Minuten nur für die schönen Dinge"... das wäre nie geschehen, denn die Mutter hat sich nicht mal mehr am Kinderbett blicken lassen, saß abends lieber mit ihren isländischen Nachbarn am Lagerfeuer.

Hängen bleibt nicht, dass Wolf in umgedrehten Rollenverhältnissen genauso leiden muss wie Vera. Hängen bleibt, dass aus Prinzip immer einer das Arschloch sein würde, aus reinem Opportunismus heraus, egal wie optimal die Umstände und wie kooperationsbereit der Partner oder die Partnerin ist. Und dass die Schwierigkeit bei der elterlichen Arbeitsteilung schon gar kein patriarchisch geprägtes Anspruchsdenken als Ursprung des Übels hat. Frauen machen's auch nicht besser, nur noch absichtlicher, egal wie gut die Bedingungen für ein perfektes Familienleben wären, zeigt dieser Film jedenfalls.

Was all diese inhaltlichen Themenpunkte angeht, schießt auch dieser deutsche Film wieder oberflächlich fahrlässig gedacht in alle möglichen Richtungen, ohne nur einmal etwas sinnvolles zu sagen, außer dass Stress schon 'ne stressige Sache ist und man dem Ehepartner oder der Ehepartnerin auch mal Zuhören und Verständnis gegenüber einander zeigen sollte.

Was Familie Küper im Film macht ist grundsätzlich bestimmt ein Traum, eine schöne Sehnsucht, vieler Mainstream-Kinogänger*innen. Nicht zuletzt deswegen war die Buchvorlage ein Erfolg. Die Art und Weise wie dies filmisch gezeigt, wie es erzählt und was dann am Ende darüber wirklich ausgesagt wird, überhäuft genau dieses Publikum jedoch weder mit feinfühligem Verständnis noch mit schönem Eskapismus zum Mitträumen. Geschweige denn wirklich wertvollem Erkenntnisgewinn.

Stören wird das leider viele nicht. Ein paar idyllische Bilder und einzelne Szenen, in die man sich irgendwie leicht reinversetzen kann, wenn man den restlichen Kontext ausblendet, reichen vielen ja schon und weiter wird nicht drüber nachgedacht. Nach diesem Kalkül funktionieren Produktionen dieser Art in Deutschland meistens und zu oft mit Erfolg an den Kinokassen.

Ob schöner Familienmoment mit selbstgebautem Floß am Strand in Thailand oder Streit auf der Veranda am nicht minder schönen Strand in Island, Eine Million Minuten ist standardmäßig einfallslos, aber mitnichten schlecht gefilmt. Die Optik ist austauschbar, unspektakulär, clean, das Framing total uninspiriert, aber technisch durchaus wertig. Hier gibt es nichts zu meckern und nichts zu loben. Und hier macht dieser, von einem großen Studio produzierte, deutsche Retortenfilm meiner Meinung nach sogar eine etwas bessere, weil weniger künstlich wirkende Figur, als aktuell im Kino beispielsweise Wo Die Lüge Hinfällt aus der Hollywood-Fließbandproduktion.

Vieles im Film hat mich die zwei Stunden im Kino über dauerhaft in Hinblick darauf beschäftigt, dass ja eine Buchvorlage auf Basis wahrer Begebenheiten Vorbild der Geschichte gewesen sein soll. Wolf Küpers unbeholfene Herangehensweise an seine Reise-Home-Office-Arbeit, das scheinbar nie versiegende Vermögen der Familie. Die immerzu perfekten Umstände und klischeevoll zuvorkommenden, gönnerhaften Einheimischen auf allen Stationen der Reise. Die albernen Auswüchse von Wolfs Eifersuchtswahn zum Ende der Geschichte,... das konnte doch alles nicht in Wirklichkeit echten Menschen passiert sein.

Ist es natürlich nicht. Es gibt Familie Küper und es hat ihre zweijährige Reise gegeben. Ursprung der Idee soll auch tatsächlich schon beschriebener Moment zwischen Tochter und Vater gewesen sein. Bei fast allem anderen unterscheiden sich Film und Buch und Realität aber, soweit ich ohne das Buch komplett gelesen zu haben recherchieren konnte, gänzlich voneinander. Im echten Leben hat Wolf Küper seinen Job gleich im Vorhinein ganz gekündigt, denn es ging ihm von Beginn an darum, die wertvolle Zeit mit seinen Kindern mal in einem echten Sabbatical ganz erleben zu können, anstatt sie etwa mit der täglichen Arbeit im Büro teilen zu müssen. Finanziell war dies alles der realen Familie auch nur möglich, da sie einen großen Kredit aufgenommen hat, zusätzlich zum Verkauf des gesamten Hab und Guts und vorhandenen Ersparnissen.

Dass die Reise so gesehen ihren Preis hat, der bloß nachträglich extra abgearbeitet werden muss, alles einfach nur ein bewusster Kompromiss als Gegenentwurf zu typischer Lebensplanung üblicher Familien in unserer Gesellschaft ist, da aber eben kein magisches Schlupfloch genutzt wird, durch das wie von allein alles wie ein Wunschkonzert sorglos möglich ist, nur wenn man sagt "Ich mach das jetzt", das ist fürs Kino natürlich nicht schön genug. Fürs Publikum außerdem nicht verlockend und für die Erzählung nicht bequem genug.

Zumindest aus Sicht von Leuten, die immer wieder diese schlussendlich einfach nur dummen Filme für ein immer gleiches Publikum machen, das sich hoffentlich nicht auf ewig immer wieder auf dieselbe Art unangenehm aufgesetzt, gefühlstriefend hinters Licht führen lässt. Und dann am Ende noch denkt, man könnte von Eine Million Minuten wirklich etwas lernen.

Wer nach Logik des Films sein Leben auf den Kopf stellt, bekommt garantiert ganz anderen Stress als nur in Island eifersüchtig auf schöne Isländer zu werden, die wie Marvels Thor aussehen, perfekt schreinern, angeln und vereinzelt sogar Deutsch reden können und die durch den Sand auf schönen Pferden reiten. Und überdies spontan zum Spottpreis Einfamilienhäuser in bester Lage beinahe zu verschenken haben. This ain't gonna happen. Und als nicht ernst gemeinte Fantasie ist mir all das einfach zu doof, offensichtlich, langweilig und irgendwann im Laufe des Films geradezu beliebig sprunghaft konstruiert.

Bild: Eine Million Minuten © Warner Bros. (2024)

Und die echte Familie Küper? War gar nicht Richtung Island weitergereist, sondern nach Australien und Neuseeland. Ohnehin soll das gleichnamige Buch Eine Million Minuten nicht nur rein aus Sicht des Vaters geschrieben sein, sondern häufiger über mehrere Seiten am Stück über grundsätzliche Erkenntnisse des Reisens und der Selbstauseinandersetzung Wolf Küpers philosophieren, während des Trips gesammelte Tips, etwa zum Gebrauchtwagenkauf in fremden Ländern ausgiebig behandeln und - so schreiben es viele Leser*innen - deswegen fast wie ein Sachbuch rüberkommen, das nebenher lose auch noch einem Reiseverlauf als rotem Faden folgt. Zum Spiegel-Bestseller hat's gereicht und ein solches Label als Verkaufsargument für den gleichnamigen Film scheint Regisseur, Co-Autor und Produzent Christopher Doll hier zusammen mit der Grundprämisse schon gereicht zu haben, um den eigentlichen Film dann nach Eigendünkel hinzudichten.

Hätte er doch nach Lesen der Buchvorlage erst einmal zu Recherchezwecken gemeinsam mit Gattin Karoline und ihren beiden Kindern zwei Jahre lang irgendwo auf der Welt Urlaub gemacht, mal ganz zu sich selbst gefunden... und wäre dann einfach nie mehr wiedergekommen. Er hätte uns damit die 125 Minuten immer blöder werdender Langeweile von Eine Million Minuten erspart.

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