All in Empfehlung

Challengers: Rivalen - Spielball der Gefühle

Gegner auf dem Tennisplatz, Konkurrenten in der Liebe - wo einst eine brüderliche, vielleicht noch wesentlich intimere Freundschaft zweier Männer war, bevor sie sich in dieselbe Frau verliebt haben. Regisseur Luca Guadagnino macht daraus weder einen typischen Sportfilm, noch eine vorhersehbare Romantik-Komödie. Viel mehr vermengt er bei Challengers - Rivalen gelungen filmische Herangehensweisen europäischen Independent-Kinos mit effektreicher Ästhetik heutigen Hollywood-Mainstream-Kinos. Ein verspieltes, erstklassig besetztes Liebesdrama, dessen Hauptfiguren bei jedem Schlag laut aufstöhnen.

Evil Does Not Exist - Natur der Wehrhaftigkeit

Es spricht für diesen mutig inszenierten Ausnahmefilm als kleines Meisterwerk, dass wir in Ryûsuke Hamaguchis Evil Does Not Exist gelungene Kapitalismuskritik, Reflexionen über Klima-Aktivisten, Einordnung der Natur als Natur, so viel trügerische Schönheit und einen plötzlichen Moment brutaler Grausamkeit erleben, der sein Publikum zwangsläufig überfordert - während sich dieser Film aber präsentiert und anfühlt wie eine subtile Sinfonie in Bildern und Musik.

Sieger Sein - Wir alle brauchen Integration

Sieger Sein ist nicht nur ein Sportfilm für Kinder oder ein Flüchtlingsdrama über ein syrisches Mädchen in Deutschland. Der durchweg gelungene, teilweise biografische Berlinale-Teilnehmer von Regisseurin Soleen Yusef weiß seine junge Zielgruppe ernst zu nehmen und versteht Integration nicht bloß als einseitige Migrationsthematik.

Monkey Man - Rache mit Kultur

Monkey Man ist als Regie-Debüt und Action-Revenge-Movie das beeindruckende Ergebnis von Dev Patels Verlangen, ihm zugewiesene Rollenklischees zu überwinden. Gleichzeitig hat er einen äußerst brutalen Film gemacht, dessen Kultur und Settings vielen sonst nur aus fröhlich-bunten Bollywood-Produktionen bekannt sein dürften. Eine aufrichtige Integration von Hijra, die nicht bloß Deko-Figuren am Rande bleiben, kann Daniel darüber hinweg trösten, dass aktuelle politische Verhältnisse Indiens nur in Form fiktiver Schergen repräsentiert werden.

Ich Capitano - Aus Träumen wird Martyrium

Matteo Garrones Ich Capitano ist ein Flüchtlingsfilm, der wie eine hochwertige und durchaus teure Hollywood-Produktion aussieht, der im Gegensatz zu einer solchen allerdings mit schonungslos harter Darstellung seiner Reise zweier Jugendlicher von Dakar nach Italien dokumentarisch brutal bei der Realität bleibt. Hat seine Oscar-Nominierung ebenso verdient wie unsere Empfehlung.

Sultanas Traum - Utopie von 1905 ist heute noch Science-Fiction

Isabel Hergueras Debütfilm Sultanas Traum ist eine bemerkenswerte filmische Umsetzung und Weiterentwicklung von Rokeya Sakhawat Hossains feministischer Science-Fiction-Geschichte, die ursprünglich 1905 veröffentlicht wurde. Der Roman handelt vom fiktiven Ladyland, wo Frauen die dominante Macht innehaben und nachhaltige Technologien nutzen um ein wahres Utopia zu erschaffen. Diese Geschichte wird im Film durch eine komplex verschachtelte Erzählstruktur neu interpretiert, bei der sowohl eine an die spanische Regisseurin angelehnte Hauptfigur in Indien auf den Roman stößt, dessen Hintergründe beginnt zu erkunden, wir aber auch biografisch das Leben der Buchautorin kennenlernen. Jede Erzählebene hat dabei ihren eigenen, eindrucksvollen Zeichenstil.

OverExposition: Wie Dune 2 manche Kritiker überfordert hat (mit Spoilern)

Viel stärker noch als Teil eins weicht die Erzählweise von Dune: Part Two strukturell vom typischen Blockbuster-Kino ab. Was andere Science-Fiction-Filme als audiovisuelle Höhepunkte zu typisch herausragenden Effektmomenten hochstilisiert hätten, wird hier außerdem eher Eventfilm-untypisch als Szenen im Fluss und Dienst der Geschichte eingebettet. Wer nach Dune 2 aus dem Kino kommt, wird nicht von “der Wurmszene” oder “dem Finale”, “den Charakteren” in Einzelteilen sprechen, sondern ist erst einmal mit der Wucht des Films als Ganzem, mit all seinen verdichtet ineinander fließenden Eindrücken, konfrontiert. Manche Kritiker hat genau das offensichtlich überfordert - finden Patrick & Daniel im lockeren OverExposition-Spoiler-Talk von Die Letzte Filmkritik.

The Zone of Interest - Meisterwerk des Ungezeigten

Wir sprechen in dieser Filmkritik zu The Zone of Interest von Jonathan Glazer zweifellos über ein großes Meisterwerk. Über einen bemerkenswerten Hybrid aufwühlender, zur Auseinandersetzung geradezu zwingender Kunst, stilistisch dennoch nahe an scheinbar objektiver Realität. Einen Film, der uns in der Realität mit unserer Vergangenheit konfrontiert, wie es wohl kein anderes Werk zuvor so eindringlich und unverzerrt geschafft hat. In unserem Podcast reden wir mindestens so viel über jenes, was wir in der Adaption wirklicher Schreckenszeiten tatsächlich gezeigt bekommen, wie wir über all jenes sprechen müssen, was wir dort bewusst nicht im Bild sehen, aber sehr wohl wahrnehmen können. Eine Rezension und Deutung der von Glazer gewählten Stilistik, Herangehensweise und Motive.

Dune: Part Two - Fließt wie Spice

Das Spice fließt immer noch und die Erzählung von Denis Villeneuves Dune: Part Two fließt sogar noch mal ein ganzes Stück runder als bereits im Vorgängerfilm. Ehe wir einen weiteren, ausführlicheren Podcast zu zweit nachlegen, schildert euch Daniel hier kurz nach Kinostart sein Fazit zum Sequel, das die Geschehnisse aus Buch 1 “Der Wüstenplanet” von Frank Herbert in der aktuellen Kinoversion komplettiert, zugleich auch bewusst weiterhin einen dritten Teil der Villeneuve-Verfilmungen in Aussicht stellt.

And the King Said What a Fantastic Machine - Bewegte Bilder

Von frühen Schwarz-Weiß-Aufnahmen zum Studium von Tierbewegungen bis zur Onlyfans-Ikone Belle Delphine. Von magisch anmutender Camera Obscura hin zum Smartphone in jeder Hosentasche. And the King Said, What a Fantastic Machine lässt eine temporeiche Zeitreise der Geschichte bewegter Bilder an uns vorbei rauschen und führt damit ganz besonders deutlich vor Augen, wie rasant wir uns als Menschheit von einer text- zur bildbasierten Gesellschaft entwickelt haben. Zu schnell, um damit überhaupt richtig umgehen zu können? Das ist die große, offen gestellte Frage dieser Dokumentation.

All of Us Strangers - Heimgesucht von Sehnsüchten

All of Us Strangers ist ein fantastisch gespieltes, wunderschön gedrehtes Drama nach Romanvorlage, das uns auch die nuanciertesten Gefühle seiner Protagonisten bis ins tiefste Innere mitempfinden lässt - ohne dafür auf plakative Manipulation oder altbekannte Charakterschablonen zurückzugreifen. Und zwar vom Schönsten bis zum Traurigsten. Der wirklich empfehlenswerte Film von Andrew Haigh hätte Daniel allerdings noch etwas mehr begeistern können, hätte er seine traumhafte, leicht diffus anmutende Atmosphäre vom Beginn länger konsequent beibehalten, anstatt seine Handlung, Überraschungen und Motive viel zu früh und ausformuliert anzudeuten, in Teilen gar völlig offen auf den Tisch zu legen.

The Holdovers - Ein Film wie früher, so gut wie früher

The Holdovers ist in Deutschland zwar ein für diesen Film prädestinierter Weihnachtsstart verwehrt geblieben, ein sehr guter Weihnachtsfilm macht im Januar oder jedem anderen Monat aber natürlich trotzdem immer noch sehr viel Freude. Regisseur Alexander Payne schafft es nicht nur, seine Hauptdarsteller*innen um den brillant aufspielenden Paul Giamatti zu Höchstleistungen zu treiben, sondern auch seinen in den 70ern spielenden Film so aussehen und sich so anfühlen zu lassen, als sei dieser auch in derselben Zeit gedreht worden.

Poor Things - Wunderschön skurril, doch irgendwie zu angenehm

In Poor Things erkennen wir grundlegende Motive und Aussagen der vorhergegangenen Filme von Regisseur Yorgos Lanthimos wieder, hier nun alle in einem wunderschön, skurril, verrückt inszenierten Fantasy-Film für Erwachsene zusammengeführt. Emma Stone und die restliche Besetzung spielen fabelhaft und Lanthimos hat seine herrlich exzentrische, kunstvolle Herangehensweise ans Medium Film so ungezügelt ausgelebt wie nie zuvor. Trotz aller Begeisterung dafür, sind Patrick und Daniel aber etwas enttäuscht darüber, dass Bella Baxters Weltreise kaum darüber hinaus geht, eine eher oberflächlich erzählte Geschichte mit früh offensichtlichen Lehren zu sein.

Olfas Töchter - Portrait im Dialog mit der Realität

Seit wir Olfas Töchter (Four Daughters) Ende letzten Jahres vorab sichten konnten, hat es der Hybrid-Dokumentarfilm von Regisseurin Kaouther Ben Hania in gleich zwei Kategorien auf die Shortlist für die Oscars 2024 geschafft. Sehr gewundert hat uns das keinesfalls, denn der Film hat nicht nur eine facettenreiche wahre Geschichte zu erzählen, er macht dies auch noch mit faszinierend kreativer, sich selbst über mehrere Ebenen reflektierender Herangehensweise.

Priscilla - Erwachen in Graceland

Priscilla Beaulieu war sechs Jahre lang mit Elvis Presley verheiratet, bekam ein Kind mit dem King of Rock und wusste doch irgendwann, dass sie den Elfenbeinturm Graceland aus eigener Kraft verlassen musste. Sophia Coppola erzählt uns in ihrer Adaption der Autobiografie Elvis and Me diese wahre Geschichte, die mit einem 14-jährigen Mädchen beginnt, das von einem 24-jährigen Musikstar zum elterlich abgesegneten Date abgeholt wird.

Joyland - Beinahe verboten worden, jetzt weltweit gefeiert

Eine queere Liebesgeschichte, die ohnehin nur ein Teil der facettenreichen Handlung von Joyland ist, hat auch ohne Sexszenen oder explizite Darstellungen bereits gereicht, das Werk von Regisseur Saim Sadiq in seiner Heimat beinahe verbieten zu lassen. Dass dieser Film später nicht nur mit Auflagen eingeschränkt trotzdem auch in Pakistan lief, sondern weltweit auf Festivals Jurys und Publikum begeisterte, ist angesichts dieser Umstände nicht nur wichtig, wir finden es auch am Film selbst gemessen hochverdient.

Killers of the Flower Moon - Wäre anders besser lang gewesen?

Mit Killers of the Flower Moon ist Martin Scorsese zweifellos ein handwerklich meisterhaftes Werk auf Basis dramatischer, realer Verbrechen am Volk der Osage im Nordamerika der 1920er Jahre gelungen. Ein sehr langer Film aber auch. Patrick & Daniel sind sich einig, dass sich mehr als drei Stunden dabei nie unangenehm ziehen, diskutieren aber dennoch mit unterschiedlichen Meinungen darüber, ob und wie diese Laufzeit nicht doch anders, vielleicht besser hätte eingesetzt werden können.

Catch the Killer - Symptome einer kranken Nation

Alle Vorzeichen standen auf eher mauem Durchschnittsfilm und die meisten anderen Filmkritiken haben Catch the Killer auch nicht unbedingt so gut dastehen lassen... wie Patrick und Daniel ihn jetzt finden. Für uns ist der Cop-Thriller von Damián Szifron mit Shailene Woodley und Ben Mendelsohn eine echte Überraschung und das geglückte Comeback eines gar nicht mehr so häufig belieferten Genres.